Ein Ausflug zur Glasmanufaktur – Handwerkstradition im Harz

Dieser Sommer ist ausgesprochen warm, aber gleich vorweg: An die Temperaturen des Glasofens in der Schauwerkstatt der Harzmanufaktur Glaskristall in Derenburg kommt so schnell nichts heran: Der Hauptofen läuft 365 Tage rund um die Uhr. Bei 1200 Grad Celsius! Als eine der wenigen noch selbst produzierenden Glashütten in Deutschland verbindet sich hier Handwerk mit Tradition: Als sogenannte Hohlglasveredelungsgenossenschaft Wernigerode im Jahr 1946 gegründet, ging 1949 das VEB Glaswerk Harzkristall Derenburg hervor und siedelte sich in dem um die Jahrhundertwende gebauten Umspannwerk an. Einige Jahre später, 1966, übernahm die Hochschule für industrielle Formgestaltung Halle, Burg Giebichenstein, die heutige Glasmanufaktur Harzkristall. Ab diesem Zeitpunkt wurde unterschiedliches Gebrauchsglas produziert – von Trinkgläsern über Lampenschirmen bis hin zu Vasen, natürlich auch, um Devisen zu bekommen.
Nach der Wendezeit ging die Glasmanufaktur Harzkristall in die Treuhand über, die mit der Hochschule für Kunst und Design kooperierte. Die enge Verbindung zu den Kunsthochschulen besteht bis heute: Zahlreiche Studierende fertigen jedes Jahr ihr Abschlussprojekt in der Glasmanufaktur Harzkristall an, die teilweise auch im großen Shop zu kaufen sind. Besonders schön fand ich die Trinkgläser und Trinkgefäße sowie eine ganz spezielle Spirituosenflasche, die hoffentlich bald in Serie geht (kann ich hier nicht abbilden, sonst wird die Idee noch gemopst! Sie ist zu gut). Noch heute finden sich in der Fertigungshalle alte Formen, die immer noch genutzt werden. Die schöne Architektur der nördlichsten Harzmanufaktur Deutschlands ist quasi wie für die Glasmanufaktur gemacht und das Areal im Übrigen nicht weit weg von Wernigerode – direkt an der Holtemme – gelegen.

Ab 1993 gehörte die Glasmanufaktur dem Land Sachsen-Anhalt und wurde erst 2004 privatisiert. Erfreulicherweise übernahm die Gerhard Bürger Stiftung den Betrieb im Jahr 2013, sodass die Förderung von Kunst und Kultur, Wissenschaft und Forschung sowie Denkmalschutz- und Pflege gesichert ist. Stipendien gewährleisten darüber hinaus, dass Studierende mit dem Werkstoff Glas arbeiten können.
Harzer Glas heute
Neben der Design- und Kunstebene ist die Glasmanufaktur ein Ort für wirklich alle Altersklassen: Kinder finden einen riesigen sehr spannenden Spielplatz direkt vor dem Haus. Besonders fiel mir die Bepflanzung auf – kein Wunder, denn das Gelände wurde zur Landesgartenschau Wernigerode entsprechend schön bepflanzt und weiterhin aufwendig gepflegt und ausgestaltet. Einen kleinen Wasserfall findet man ebenfalls im hinteren Bereich, in dem auch die empfehlenswerte Gastronomie zu finden ist. Dort kann man drinnen wie draußen sitzen. Draußen im Garten und im Innenbereich finden sich die gleichen Leuchten wie im Abgeordnetencafé des Paul-Löbe-Hauses des Bundestags. Womit auch geklärt wurde, woher diese stammen. Und zwar aus dem Harz.

Neben Spezialanfertigungen spielt die Herstellung von Glasteilen und Lampenschirmen für den Denkmalschutz und für Filmrequisiten eine bedeutende Rolle. Die Lampen im Film „Stauffenberg“ mit Tom Cruise stammen hier aus Derenburg. Das Luftfahrtmuseum Wernigerode hat übrigens ebenfalls zahlreiche bekannte Filme mit Cockpitbauten unterstützt. Das Angebot ist heute groß: In Ergänzung zu den stündlich stattfindenden Führungen (kostenpflichtig) finden regelmäßig zahlreiche Spezialangebote statt: So kann man Handabdrücke in Glas verewigen lassen: Zunächst wird im Formsand ein Abdruck genommen, dann mit glühend heißer Glasmasse ausgegossen und anschließend im Ofen ausgehärtet. Was anfänglich aussieht wie ein Maulwurfskuchen, ist dann eine individuelle Anfertigung, die auch eingefärbt werden kann. Im Rahmen der Kreativangebote selbst tätig werden, das geht in der Glasmanufaktur Harzkristall ebenfalls. Trinkgläser selber herstellen ist möglich, ein Glasmacherkurs ebenfalls. Dieses Handwerk ist mittlerweile so rar, dass es nur noch eine kleine Anzahl an Auszubildenden dieses Jahr gibt – wenn ich mich recht erinnere, waren es 2017 nur zwei in Deutschland. Wer einmal in der großen Fertigungshalle war, dem werden die Spatzen und Schwalben aufgefallen sein: In der Glasmanufaktur Harzkristall nisten viele Piepmätze im Dach.
Auch in den Verkaufsräumen kann man diese erwerben, sind sie doch so etwas wie das inoffizielle Wappen- und Haustier. Wer Geschenke sucht, ist hier richtig: Von Glasstrohhalmen (endlich kein Plastikkram!) bis hin zu Einhorn-Weihnachtskugeln oder Weihnachtsgurken, gibt es hier das ein oder andere Mitbringsel aus dem Harz. Besonders gefallen haben mir aber auch die Designarbeiten der Absolventen sowie die Zähne aus Glas! Der Eintritt ist kostenlos, der Erlebnisrundgang findet täglich um 10:30h, 11:30h, 12:30h, 13:30h, 14:30h und um 15:30h statt und kostet € 7,50 für Erwachsene, € 5,00 ermäßigt, für Kinder (6-15 Jahre) € 4,00 und für Kinder bis 6 Jahre ist die Tour kostenlos (Stand: 07/2018). Mehr auf der Website: www.harzkristall.de

In der Umgebung von Derenburg
Zur Mohnblüte kann man hier gut Mohnfelder oder einfach Mohn am Feld fotografieren, und zwar direkt beim (kostenlosen) Parkplatz an der Glasmanufaktur Harzkristall. Hier fliegen, wie so oft in der schönen Natur des Harzer Vorlandes, gerne auch einmal Rotmilane herum.
Ein kleines Streuobstmuseum befindet sich ebenfalls direkt an der Holtemme neben der Parkmöglichkeit. Nach Wernigerode mit seiner sehenswerten Innenstadt inklusive Schloss sowie zum Luftfahrzeugmuseum Wernigerode fährt man nicht lange mit dem Auto, etwa 11km / 15min sind es. Blankenburg mit Burg und Festung Regenstein sowie die historischen Innenstadt lohnen sich natürlich auch.
Weitere Ansichten und Eindrücke von der Glasmanufaktur Harzkristall
Comments